Freitag, 13. April 2012

Multichannel - Trend, Zukunft oder vorübergehende Modeerscheinung?

Multichannel, ein Wort welches man nicht erst seit kurzem immer wieder vernimmt.
Doch was ist Multichannel eigentlich? Ist es ein Trend, ein "must have" oder doch nur eine vorübergehende Modeerscheinung?

Nun eines kann man von vornherein ausschließen, eine vorübergehende Modeerscheinung, wie einige Zeitgeister meinen, ist dies nicht.

Aber ist der Multichannel-Vertrieb wirklich so wichtig, wie uns einige Firmen und Personen glauben machen wollen? Elektronik Partner, besser bekannt als EP, hat sich doch auch gerade erst vor kurzem ganz gezielt gegen den Multichannel-Vertrieb entschieden, ein Fehler?
MediaMarkt hat sich nach langem Ringen, Projektverschiebungen und Stühlerücken für die Multichannel-Strategie entschieden, die richtige Entscheidung?

In meinen Augen sollte heutzutage jede Handelskette oder Kooperation sich ernsthaft Gedanken machen wie und nicht ob man den Multichannel-Vertrieb aufbauen kann. Ich bin der Überzeugung, dass er in naher Zukunft Überlebenswichtig wird. Immer mehr Menschen vertrauen dem Medium Internet, immer mehr informieren sich dort und immer mehr kaufen über das Internet. Und das wird sicher nicht wieder rückläufig werden!

Oft wird von Multichannel-Gegnern argumentiert, dass man gerade als Kooperation, Franchisegeber oder auch einfach "Kettenkonzern" dem Partner vor Ort mit einem Shop im Internet Konkurrenz macht. Doch dieses Argument entkräftet sich schon von selbst. Kunden die online kaufen möchten lassen sich nicht davon abhalten, dass nun ihr Stammladen keinen Shop hat, sondern werden dann mit Sicherheit anderweitig zuschlagen. Anbieter gibt es online genug. Und seien wir mal ehrlich, verlässt heute ein Kunde nach ausführlicher Beratung mein Geschäft ohne dass er gleich den Kauf getätigt hat, so habe ich ihn so gut wie verloren.
Wann waren Sie das letzte Mal, in einem Reisebüro, haben sich Hotels zeigen lassen, am Ende zu Hause noch eine Nacht drüber schlafen wollen und dann nochmal im Internet recherchiert und weil es so einfach war gleich gebucht?
Oder haben Sie vielleicht den Kauf eines Fernsehers in Betracht gezogen, sich im Laden umgeschaut, beraten lassen und dann zu hause nochmal Kundenbewertungen gelesen? Lockt es da nicht auch gleich online auf "Kaufen" zu klicken und das TV steht dann 24h später bei mir zu Hause? Wozu dann nochmal ins Auto steigen, in die Stadt fahren, ggf. im Stau stehen und am Ende an der Kasse anstehen wo es doch so einfach ist, "Klick" und fertig.

Also warum dann nicht selbst auch gleich seine Waren im Internet anbieten? Und kommt dass, was alle wissen. Wenn es doch nur so einfach wäre. Also wie funktioniert nun die richtige Verknüpfung aller meiner Absatzkanäle?

Pauschal lässt sich dies natürlich nicht unbedingt beantworten, aber es gibt Eckpunkte die man beachten sollte.

A. Mein Online- und Offlineangebote muss (zumindest was die Kernprodukte angeht) sowohl von der Auswahl, als auch vom Preis identisch sein.

Damit ist gemeint, dass der Kunde im Onlineshop die gleichen Produkte vorfinden muss wie er diese auch vor Ort sehen kann. Nun kann es natürlich, gerade bei Franchise Unternehmen, sein, dass der Händler vor Ort ein etwas abweichendes Angebot hat (z. B. führt er aus Platzgründen bestimmte Geräte nicht im Sortiment), jedoch müssen diese dann trotzdem online bestellbar sein. Gleichzeitig hat vllt. auch ein Händler eigene Angebote, die es sonst im Filialnetz nicht gibt. Hier wäre es ein großes Plus, wenn er diese auf seiner Unterseite (nicht unbedingt auf der Zentralseite) anbieten und so auch online verkaufen kann.

B. Mein Internetshop muss meine Filialen vor Ort integrieren und nicht ausschließen

Dies bedeutet, dass der Kunde beim Eingeben des Markennamens zwar auf einem zentralen Onlineshop landet, er aber dort die Möglichkeit hat, freiwillig einen speziellen Markt (z. B. über PLZ Suche) auszuwählen. Diese Märkte haben dann z. B. Unterseiten ala "www.zentralerinternetshop.de/stadtDerFiliale". Das Look&Feel aller Seiten bleibt dabei gleich, nur mindestens das Impressum oder die Kontaktanfrage führen zusätzlich noch die Daten der Filiale vor Ort auf (Vergleiche auch Punkt 3).

C. Die Filialen vor Ort, müssen beim Kauf über den Onlineshop der Zentrale alle gleichermaßen profitieren ohne dass dabei der Endkunde in seinem Shoppingerlebnis eingeschränkt wird (Usability first)

Der Endkunde ist König. Er darf auf einer Internetseite möglichst nicht bevormundet werden. Sicher gibt es einen Weg in den wir ihm entlanglaufen lassen, aber er muss ständig das Gefühl haben, dass er Herr der Lage ist und alles was passiert auf seinem Wunsch geschieht. Da trifft es nicht zu, dass der Kunde gezwungen wird erst eine Filiale auszuwählen um überhaupt etwas kaufen zu können. Diese Entscheidung muss dem Endkunden gelassen werden, ob oder welche Filiale er wählen möchte.
Tut er dies nicht, so könnte man z. B. mittels der PLZ des Käufers die nächstgelegene Filiale ermitteln und dann dieser einen Anteil am Verkauf zusprechen. Ich finde dies wenig elegant. Viel besser ist es in meinen Augen, wenn alle Filialen etwas davon haben. So sollten die Onlineumsätze in einem großen Topf gesammelt werden und jede Filiale zu gleichen Teilen daran beteiligt werden. So haben auch Filialen in strukturschwächeren Regionen ein kleines Plus. Möglich wäre hier z. B. dass man den Onlineshop in eine eigene Gesellschaft (z. B. KG) ausgliedert und alle Filialen an der Gesellschaft beteiligt werden. Die Gewinnverteilung erfolgt dann ganznormal über die Anteile).

D. Dem Endkunden müssen alle Möglichkeiten offen stehen.

Dies bedeutet, dass wenn er im Internetshop bestellt, er auswählen kann ob er gleich online bezahlt und das Produkt geliefert bekommt oder aber lieber nur die Ware reserviert, und sie sich irgendwann in der von ihm gewünschten Filiale vor Ort abholt. Auf der anderen Seite muss es einem Kunden im Ladengeschäft auch möglich sein, dass er direkt im Laden eine Onlineorder ausgibt (die er dann bei Wunsch sofort bezahlen, oder aber die Onlinezahlmöglichkeiten nutzen kann) und das Gerät ihm dann zugesendet wird.

Diese 4 Eckpunkte sind natürlich je nach Produkten oder Partner-, bzw. Filialkonstrukt mal leichter, mal schwieriger umzusetzen. Aber immer möglich.

Zur Veranschaulichung mal ein Bespiel wie eine Multichannel Strategie aussehen könnte.

1. Das Szenario:

Es gibt ein Zentralgeschäft mit mehreren Franchisenehmern in verschiedenen Orten. In größeren Städten können auch schon mal mehrere Filialen von einem oder mehreren Franchisenehmern vorhanden sein. Die Firma heißt Magnus Electronic und unterhält eine Website unter der Domain "magelec.de" auf der bisher eine Übersicht über das aktuelle Angebot, sowie über die Firma vorhanden ist. Zusätzlich gibt es noch einen Filialfinder.
Es wurde nun beschlossen die Multichannel-Strategie anzuwenden um zukünftig weiterhin erfolgreich zu sein.

2 Die Website

2a) Relaunch gernerell

Die Website wird gerelauncht. Auf dieser erscheint nun ein Internetshop in dem der Endkunde das Stammsortiment wiederfindet, wie es auch in allen Filialen vor Ort angeboten wird.
Jede einzelne Filiale erhält einen Verzeichnisnamen (z. B. magelec.de/berlin-mitte).

2b) Sozial Media Komponenten 

Der Endkunde kann sich nun online über die Produkte informieren (z. B. Bilder ansehen, verlinkte Testberichte lesen oder auch Kundenmeinungen nachschlagen). Zusätzlich kann er Produkte in Google Plus liken oder auch über Twitter seinen "Followern" mitteilen, dass er gerade ein interessantes Angebot gefunden hat.

2c) Checkout Prozess

Hat der Kunde sich für ein Produkt entschieden, so klickt er auf zur Kasse gehen. Nun bekommt er übersichtlich auf einer Seite dargestellt, welche Bezahl- und Versandmethoden es gibt. Zusätzlich kann er entscheiden ob er sich einloggen (ist bereits Kunde), sich registrieren oder aber ohne Registrierung weitermachen möchte.
Sollte er sich nicht einloggen, so werden die notwendigen Kundendaten (wie z. B. Name) erst zum Ende des Kaufprozesses abgefragt (dies gibt den Kunden das gute Gefühl anonym zu bleiben).

2d) Zahl- und Versandarten

Dem Kunden wird neben der Auswahl der üblichen Zahlarten (Vorkasse, Kreditkarte, und ggf. noch typische Internetzahlmethoden wie paypal oder sofortüberweisung.de) auch die Möglichkeit geboten die Waren in einer Filiale seiner Wahl zu bezahlen.
Zusätzlich kann der Kunde zwischen Abholung vor Ort, Expresslieferung (binnen 24h gegen Aufpreis) und Standardlieferung wählen.
Bei der Expresslieferung wird die Ware ggf. bei einer nahegelegenen Filiale abgeholt und an den Kunden versendet.

2e) benötigte Kundendaten

Hat der Endkunde Zahlung und Abholung beim Händler vor Ort angewählt, so brauch er nur seinen Namen und seine E-Mail Adresse zu hinterlegen. Auf Wunsch kann er aber auch zusätzliche Angaben machen.
Wählt er eine andere Zahl- oder Versandart, so werden die entsprechenden Daten je nach Notwendigkeit abgefragt.

2f) Zuordnung zu einer Filiale

Der Endkunde hat zudem die Möglichkeit vor Abschluss des Kaufes direkt eine Filiale auszuwählen. Hat er dies getan oder eine Filiale zur Abholung ausgewählt, so wird der Kunde dieser Filiale zugeschrieben.
Bestellt der Kunde direkt über die Zentralseite und ist bereits registriert, so wird, sofern er in seinem Profil eine Filiale hinterlegt hat, er ebenfalls dieser Filiale zugeordnet. Kauft er jedoch direkt über die Seite einer fremden Filiale so erhält diese das Geschäft, ganz wie im stationären Vertrieb.
Trifft keine der vorherigen Annahmen zu, so wird er als Kunde der Zentrale behandelt und der Umsatz am Ende eines Quartals an alle Filialen und der Zentrale zu gleichen Teilen ausgeschüttet.

3. Stationärer Shop

3a) Änderungen nach Einführung der Multichannel Strategie für die Filialen

Im Grunde ändern sich für die Filialen vor Ort nur Kleinigkeiten. Schon bisher war es wichtig, dass ein Ladenkunde eine exzellente Beratung zu einem Produkt erhält. Dies wird sich auch nach der Einführung nicht ändern.

3b) Den interessierten und unentschlossenen Kunden binden

Bislang war jeder interessierte Kunde, der nicht gleich kaufte beim Verlassen des Ladens so gut wie verloren. Aus diesem Grund werden nun alle Verkäufer mit Visitenkarten ausgestattet. Diese enthalten den Namen des Verkäufers, eine persönliche E-Mail Adresse und eine persönliche oder zentrale Telefonnummer sowie auf der Rückseite eine Aufschlüsselung seiner Fachbereiche. Zusätzlich ist die Internetadresse des Shops aufgeführt.
Somit wird dem Kunden signalisiert, dass er auch noch nach Verlassen des Geschäfts sich jederzeit wieder an den Verkäufer wenden kann. Es ist nicht mehr so anonym wie bisher, dass der Interessent nicht weiß mit welchem Verkäufer er gesprochen hat.
Zusätzlich bietet die Verkäufer nun jedem Kunden an, Exposés entweder per E-Mail an den Kunden zu senden oder Ausdrucke mitzugeben.

3c) Exposé

Das E-Mail Exposé ist für uns das bessere Mittel mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben. Es enthält Informationen zu den angeschauten Produkten sowie einen Deeplink auf die entsprechenden Seiten im Shop. Zusätzlich enthält es auch nochmal die Kontaktdaten des / der zuständigen Verkäufer.
Der Ausdruck entspricht in weiten Teilen der E-Mail, jedoch ist er optisch etwas anders gestaltet.

4) Social Media und weitere Kanäle

Das Hinzuziehen von Social Media Kanälen ist kritisch. Schnell tappt man hier in Abmahnfallen, hat Probleme mit unglücklichen Kunden (oder einfach Schwarzmahlern), oder es verfällt zu einer einzigen Angebotskanal
Einbahnstraße.

4a) Twitter

Twitter wird nur von der Zentrale aus genutzt. Hier arbeitet ein eigenes Team, in Verbindung mit einer Agentur daran, zum einen neue Produkte vorzustellen, aber auch Gewinnspiele und Aktionen auszuschreiben. Es ist wichtig, dass über diesen Kanal eine aktive Kommunikation mit dem Kunden stattfindet. Dabei sollte immer auch ein Emergency Plan bereit gehalten werden, der bei kritischen Einrufen von Kunden sicherstellt, dass das Ansehen nicht beschädigt wird. Bei schwierigen Fällen, steht hierfür auch eine Anwalt parat.

4b) Facebook

Der zweite Social Media Kanal betrifft hier Facebook. Auch hier gibt es eine Fanseite. Diese wird ebenfalls über die Zentrale betreut. Dieses Medium ist direkt mit Twitter und der Website verknüpft. So werden hier Gewinnspiele veranstaltet und Nutzermeinungen gesammelt. Ebenfalls verschenken wir Gutscheine für jeden der uns als Fan "liked". Als Bonus gibt es jede Woche die Vorstellung eines Mitarbeiters aus einer der etlichen Filialen, so dass die Kunden sehen dass sie bei uns in kompetenten Händen sind.

4c) Preis-/ Metasuchmaschinen

Auch sind die Produkte von magElec in diversen Preisvergleichsportalen (z. B. idealo.de, billiger.de, ...) eingestellt. Auch wenn man hier nicht immer den günstigsten Preis für ein Produkt vorweisen kann, wird doch der Name der Firma angezeigt und mit dem Filialnetz hat man einigen Mitbewerber etwas voraus

4d) Subshops

Als letzten Kanal werden noch Subshops wie z. B. Amazon Market besetzt. So können auch Kunden die normalerweise bei einem anderen Portal kaufen immer noch auf uns umgeleitet werden. Dies mag nur einen kleinen maximal einstelligen Anteil vom Umsatz ausmachen, aber bei Zufriedenheit der Kunden ist dies ein wichtiger Multiplikator.

Fazit:

Die Ideen lassen sich natürlich noch beliebig weiter spinnen. Der Versandhändler Pearl unterhält z. B. einen eigenen Shoppingkanal für seine Produkte. Doch ich hoffe ich konnte an meinem Musterszenario Ihnen aufführen, wie nötig es ist sich intensiv Gedanken um dieses Thema zu machen. Sehen Sie nicht nur die notwendigen Investitionen und Aufwände sondern sehen Sie vor allem das Potential. Es ist nicht die Frage ob, sondern wie man Multichannel betreibt! Es ist tödlich es nicht zu tun, auf der anderen Seite sollte man das was man macht auch richtig machen. Also fahren Sie lieber eine kleine, dafür perfekte Multichannel-Lösung als eine halbherzig geführte Große.


Gerne helfe ich Ihnen bei der Findung des richtigen Konzepts für Sie. Sprechen Sie mich an.

1 Kommentar:

  1. Der Sporthändlerverbund Intersport ist derzeit dabei eine Multichannelstrategie für seine 1500 Händler zu entwickeln: http://www.internetworld.de/Nachrichten/E-Commerce/Handel/Intersport-feilt-an-Multichannel-Strategie-Ein-Webshop-fuer-1.500-Fachmaerkte

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